Dienstag, 18. November 2014

Brutto für netto

oder: eine vielleicht etwas andere Art eines Steuerprotests


Nennen Sie mich verrückt, einen Traumtänzer oder auch einen armen Irren: Aber in einer gewissen Weise zahle ich gerne Steuern. Das hat mit meiner Biographie zu tun:

Während meine Eltern nie den Hauch einer Chance auf eine höhere Bildung oder auch nur abgeschlossene Ausbildung hatten, verdanke ich es neben ihrer Aufopferung und gewisser persönlicher Eigenschaften und angeborener Intelligenz auch den SteuerzahlerInnen der Jahre 1972 - 1992 sowie der Politik eines Kreisky, eines Sinowatz und einer Firnberg, dass ich eine solide Ausbildung genießen konnte und jetzt, reden wir nicht um den heißen Brei herum, mit einem Teil meines Einkommens schon in den 50%-Grenzsteuersatz-Bereich falle.

Ich zahle also gerne Steuern für einen funktionierenden Staat, eine funktionierende Verwaltung, die Möglichkeit de facto auf 99 % der bewohnten Fläche dieses Landes gefahrlos spazieren gehen zu können, für die Sicherheit, dass eine schwere Krankheit nicht gleich zu meinem finanziellen Ruin und den meiner Familie führt, für eine Ausbildung, die auch jede Supermarktkassiererin und jeder einfache Arbeiter den jeweiligen Kindern angedeihen lassen kann usw.

Aber Stopp: All das, was ich erwähnt habe, korrodiert zunehmend: Wir haben zunehmend eine Zwei- bis Dreiklassengesellschaft: In der Medizin, in der Ausbildung, in der Infrastruktur.

Und das deshalb, weil alle, die in irgendeiner Form eine Leistung erbringen, zwar immer mehr Steuern zahlen, diese aber immer weniger für die oben genannten Zwecke verwendet werden, sondern brav verteilt werden:

An Hypo-Verbrecher, Bailoutspekulationsbankster, ministeriale Steueroasenschlupflochmöbeltandler, Waffenschieberadelige, Regierungsinseratenschutzgeldzahler, Wahlkampfkostenverxfacher, Kristallerbinnenlustknaben, Dreiseitengutachter, Einpaarmillionenfürdenwernerdefiziterhöher, Wiederwahlbudgetfälscher, Fürsklopapierabrollengutachterbraucher, Woswormeileistungsträger usw.

In diesem Zusammenhang wird auch immer wieder von einem Steuerstreik und Steuerboykott geredet. Die Sache hat (von rechtlichen Aspekten einmal ganz abgesehen) nur einen kleinen Haken: der gemeine Staatsbürger hat so gut wie keine Möglichkeit zu so einem Protest. Wird doch der jeweilige Obolus pünktlich regelmäßig einbehalten und abgeführt: Sei es die Mehrwertsteuer, sei es vor allem die Lohnsteuer. Uns Bürgerinnen und Bürgern gibt man immer nur den Rest.

Auch sind der Bürokratie widersinnige Gesetze, unterschiedliche Bemessungsgrundlagen, das Wechselspiel der Abziehbarkeit oder Nichtabziehbarkeit von Abgaben untereinander und die verschiedenen Empfänger vollkommen wurscht:

Die Dienstgeber werden zu dieser Art von Frondienst herangezogen und haften auch noch bis zur letzten Unterhose dafür; sollen die sich doch darum kümmern. Freuen können sich darüber neben HAK-Professoren für gefinkelte Beispiele im Rechnungswesen nur Berufsgruppen wie Wirtschaftstreuhänder, Steuerberater oder, wie der Schreiber dieser Zeilen, EDV-Spezialisten.

Aber das ist nur ein Grund, warum es hier keinen wirklichen Widerstand gibt. Der zweite, durchaus beabsichtigte, ist der, dass der Arbeitnehmer und die Arbeitnehmerin das Geld, das sie eigentlich verdienen (und das sie den Dienstgeber kosten) außer als Zahl am Lohn - und Gehaltszettel, die man schnell und zum Selbstschutz überliest, gar nie zu Gesicht, geschweige denn in die Hand bekommen.

Daher bin ich für ein Brutto-für-Netto-System.

Konkret also dafür, dass die Arbeitgeber den Arbeitnehmern den vollen Betrag des Lohns und Gehalts (also auch inklusive der dienstgeberseitigen Abgaben) auszahlen und es den mündigen Bürgern überlassen bleibt, die gesetzlichen Abzüge dann an die einzelnen Gebietskörperschaften einzuzahlen und zu überweisen (dann sieht und merkt man nämlich erst, was man wirklich Monat für Monat abdrückt).

Da die Berechnung dessen in der Realität keinem Arbeitnehmer zumutbar ist und die entsprechenden Computerprogramme bereits existieren, enthielte eine Lohnzettel neu auch die ausgewiesenen, abzuführenden Beträge samt dem Empfänger.

Für die ständige Anwendung des Prinzips braucht es nur ein paar Gesetzesänderungen (und ein paar mehr für eine Vereinheitlichung von Bemessungsgrundlagen bzw. für das Abführen eines Gesamtbetrages an das Finanzamt, das dann gefälligst selbst die Verteilung auf die einzelnen Körperschaften vornehmen soll).

Als Protest gegen die Verzögerung von Steuerreformen aller Art braucht es, auch wenn natürlich, machen wir uns nichts vor, contra legem wäre, eine kritischen Masse von Arbeitgebern, die das einfach so mal ausprobieren und durchziehen.

Die kritische Masse ist die Menge an teilnehmenden Arbeitgebern, die so groß ist, dass a) der Staat trotz Selbstanzeige nicht alle verfolgen kann (das Herauspicken einiger um, nach Mao, einen zu bestrafen und tausend zu erziehen, wäre selbst gesetzes- und verfassungswidrig) und b) die Firmen nicht so leicht durch Zwangsmaßnahmen in die Knie zwingen kann, ohne ein paar Hunderttausend Arbeitslose samt Familien auf den Straßen zu riskieren.

Natürlich brächte das zumindest anfangs für die Bürgerinnen und Bürger einen Mehraufwand (nur anfangs, denn glauben Sie mir, schnell würde es Apps und eBanking-Software sonder Zahl geben, die das automatisiert).

Es gäbe uns ArbeitnehmerInnen aber auch eines: Freiheit! Und - im Weberschen Sinne - Macht!

Denn plötzlich wäre die Gefahr eines Steuerboykotts eine reale Möglichkeit: Ein paar renitente Unternehmer und Freiberufler pfänden und einsperren: Kein Problem. Bei 100000 ArbeitnehmerInnen und Arbeitnehmern schaut das ein kleines bisserl anders aus.

Der von mir präferierte Gehaltszettel wäre also wie folgt (die Zahlen sind real für ein - derzeitiges - Bruttogehalt von EUR 2.000,.--; wohlwollende Dienstgeber könnten dann ja auch gleich einen QR-Code mitdrucken, mit dem die entsprechenden Daten in eine eBanking-Software übernommen werden können).


Lohnzettel Oktober 2014

für 

Maxi Musterfrau
Steuerzahlerstraße 47a
A-1010 Wien
Personal-Nummer: 41878
Sozialversicherungsnummer: 1234 28021968

Ihr Gehalt für den Zeitraum 01.10.2014 bis 31.10.2014 beträgt


EUR 2.623,20.

Wir haben diesen Betrag auf Ihr Konto AT12 9999 8888 7777 6666 bei der NochnichtPleite-Bank in Wien überwiesen.

Bitte zahlen Sie dann davon selbst folgende Beträge und geben Sie als Verwendungszweck jeweils 1234280219681014 an:



Sie müssen also insgesamt EUR 1.213,52 überweisen. Zur Information: Das entspricht 46% des an Sie ausgezahlten Betrages. Für Sie selbst bleiben EUR 1.409,68.



Anhang

Ich habe die tatsächlichen Zahlen für folgende (derzeitigen) Bruttogehälter mit dem Lohnsteuerrechner auf der Homepage des Finanzministerium errechnet:


Montag, 3. November 2014

Über die Transparenzgesetz-Falschpark-Proleten

Überschreitung der Regeln für Wahlkampfkosten um ein paar Millionen? - Who cares?


Wer kennt sie nicht, die charakterlosen Angeber, die bewusst und demonstrativ mit ihrem Protzschlitten auf dem Gehsteig parken und Behindertenparkplätze blockieren – und allen, die es (nicht) hören oder sehen wollen zu verstehen geben, sie könnten es sich ja leisten und würden wegen der paar Netsch Strafe nicht Entferntesten daran denken, sich an die Regeln zu halten.

Neuerdings wird bei diesen Gelegenheiten Augenzeugen zu Folge auch ein Bein des Maßanzugs gelüpft, damit man ja einen blutdrucktreibenden Blick auf die vergoldete und brilliantenbesetzte Fussfessel werfen kann.

Was dem Megaproleten sein Rolls-Royce (jede Ähnlichkeit mit temporär Fussfesselbefesseltentfesselten wäre rein zufällig usw. usf.), sind den politischen Parteien, hier nach Medienberichten der vorigen Woche namentlich der SPÖ, der ÖVP, der FPÖ und dem Team Stronach, die Regeln mit den Obergrenzen für Wahlkampfkosten und die lächerlichen Sanktionen im Falle der Nichtbeachtung.

Da uns Bürgerinnen und Bürgern aber ex lege die Kenntnis und das Verstehen aller Gesetze zugemutet wird – warum sollten wir da nicht auch eine kleine Ergänzung für das Transparanzgesetz (das heißt wohl deshalb so, weil die Steuerzahler bezüglich dessen Einhaltung ganz transparent durch die Finger schauen dürfen) schreiben?

Ich stelle meinen Entwurf dem p.t. Gesetzgeber gerne zur Verfügung – ganz ohne Gegenleistung, Was-war-meine-Leistung-Honorarnoten und Lieblingsschwiegersohnsteuervermeidungskonstruktionen:

Nun denn:

Für-Uneingeschränkte-Controlling-und-Kostenwahrheit-Yummie-Obrigeitssatte-Untertanen-Gesetz


§ 1 (1):  Die wahlwerbenden Parteien haben innerhalb von vier Wochen nach der entsprechenden Wahl eine Zusammenfassung der von ihnen im Rahmen des Wahlkampfs getätigten Ausgaben als Download im PDF-Format sowie eine Auflistung aller einzelnen Ausgaben samt Scans der entsprechenden Belege als Download auf der Homepage zur Verfügung zu stellen. Der entsprechende Link muss in normaler Schriftgröße als erste auswählbare Option eindeutig erkennbar sein und mindestens sechs Monate zur Verfügung stehen.

(2) Nach Vorliegen eines Berichtes des Rechnungshofes über die Ausgaben aus Abs. 1 ist mit diesem Bericht wie in Abs. 1 dargelegt sinngemäß zu verfahren.

(3) Im Falle der nicht fristgerechten Erfüllung der oben genannten Verpflichtungen sind pro Tag der Überschreitung Beugestrafen über den Finanzreferenten sowie jedes Mitglied des Parteivorstandes zu verhängen. Diese betragen für den ersten Tag EUR 10.000,-- und steigen pro Kalendertag um 50 % auf Basis des Betrages des Vortages. Ab einer Überschreitung von 14 Tagen ist zwingend Beugehaft zu verhängen.

§ 2 (1) Überschreitungen der erlaubten Kostenobergrenzen um mehr als 1 Prozent sind zwingend wie folgt zu ahnden, wobei Geldstrafen mit einer Zahlungsfrist von 10 Tagen bei sonstiger Exekution zu versehen sind.
(2) Geldstrafen ohne Obergrenzen:
a) wahlwerbende Partei 100 % der Überschreitung
b) SpitzenkandidatIn der wahlwerbenden Partei: 50 % der Überschreitung
c) Mitglieder der jeweiligen Bundes/Landes/Bezirksparteileitung der wahlwerbenden Partei: 50 % der Überschreitung
d) Finanzreferent/Finanzreferentin der wahlwerbenden Partei: 25 % der Überschreitung.

§ 3 (1) Umgehungshandlungen bezüglich der Obergrenzen sind sinngemäß zu ahnden. Dazu zählen insbesondere aber nicht ausschließlich:
a) Werbekampagnen die von Klubs der wahlwerbenden Parteien auf Nationalrats- oder Landtagsebene in Auftrag gegeben wurden.
b) Werbeleistungen von Unternehmen oder Institutionen mit einem Eigentumsanteil der öffentlichen Hand von mehr als 5 %.
c) Inserate und ähnliche Publikationen, die von MinisterInnen der wahlwerbenden Partei ab dem Beschluss zur jeweiligen Wahl in Auftrag gegeben wurden und den Namen und/oder ein Bild der MinisterIn und/oder einen Hinweis auf eine konkrete politische Partei beinhalten.

(2) Die Sanktionen gemäß § 2 Abs. 2 lit. c sind in solchen Fällen sinngemäß auf die gesetzlichen Vertreter der jeweiligen Institution auszuweiten. Dazu zählen beispielsweise Klubobmänner und Klubobfrauen sowie Vorstände von Kapitalgesellschaften oder der/die jeweilige MinisterIn.

§ 4 (1) (Verfassungsbestimmung) Überschreitungen von mehr als 3 % unter Einberechnung von Umgehungshandlungen iSv § 3 sind innerhalb von zwei Monaten vom Rechnungshof an den Verfassungsgerichtshof zu melden. Dieser hat in solchen Fällen unverzüglich auf den sofortigen Amtsverlust des Kandidaten/der Kandidatin der jeweiligen wahlwerbenden Partei sowie dessen/deren Ausschluss von sämtlichen öffentlichen Ämter für einen Zeitraum von fünf Jahren zu erkennen.


(2) Beschlüsse gemäß Abs. 1 sind auf Kosten der wahlwerbenden Partei auf der Titelseite sämtlicher landesweit verfügbaren Zeitungen mit einer Mindestreichweite von 10000 Personen, der Hompage der wahlwerbenden Partei sowie in allen landesweit empfangbaren Radio- und Fernsehkanälen zur Prime Time zu veröffentlichen.