Mittwoch, 22. Januar 2014

Die besten Schuster tragen selbst die schlechtesten Schuhe


Über meine persönlichen Gründe des Kopfschüttelns über die ersten öffentlichen Auftritte Eugen Freunds


Die Kandidatur von Eugen Freund als Frontmann der SPÖ für die EU-Wahl selbst, aber vor allem seine ersten öffentlichen Auftritt und Interviews seit dem Durchsickern dieses Antretens haben vor allem in sozialen Medien teils sehr kontroversielle Reaktion bewirkt.

Ein sehr angesehener Journalist hat auf Twitter (in einem offenbar seither gelöschten Tweet, daher ohne Verlinkung und Namensnennung) die These aufgestellt, dass offenbar ein Kandidat für ein öffentlches Amt, zumal Quereinsteiger, ein Armutsgelübte abgelegt haben und mediengecoacht sein müsse.

Diese Aussage, von mir im ersten Impuls in einer nicht ganz so feinen Wortwahl als vollkommen unzutreffend bezeichnet, ist dennoch Anlass für eine Reflexion, ob man sich im Internet nicht zu voreiliger Kritik bis hin zu persönlichen Angriffen hinreißen lässt, was trotz der geringen Bedeutung der eigenen Person für die (online) (ver)öffentlich(te) Meinung, in Summe zu einem Hochschaukeln und zu einem „Hände weg!“ potenzieller qualifizierter Anwärter und Anwärterinnen führen könnte und dem Betroffenen gegenüber ungerecht und unfair ist.

Im konkreten Fall bleibt trotz der Wertschätzung für einen angesehenen und aus der Sicht eines Zusehers hochqualifizierten Moderator und trotz der persönlichen Einschätzung, dass er ein sehr guter EU-Parlamentarier sein kann, wenn er sich auch in die Niederungen der Ebenen der parlamentarischen Knochenarbeit begibt, leider wirklich derzeit primär ein Kopfschütteln über Eugen Freund übrig.

Und das aus folgenden Gründen:

Wer immer sich für eine Stelle bewirbt, noch dazu, wenn diese mit einer großen Außenwirkung verbunden ist, wird sich gewissenhaft auf Bewerbungsgespräche und seine Auftritte bei Kunden und in der Öffentlichkeit vorbereiten.

Niemand wird zum Beispiel von jemandem, der Chefredakteur einer Zeitung werden will, die detaillierte Kenntnis des Redaktionsstatuts erwarten – aber ein Wissen um die Blattlinie, die gerade in der Zeitung aktuell behandelten Themen, den angesprochenen Leserkreis und vielleicht ein paar Zitate aus Leitartikeln sind wohl unabdingbare Voraussetzungen für diese Funktion.

Und wenn man, sagen wir mal, rund einen Monat Vorbereitungszeit hat, sollte bei Fragen, was man an den Themenschwerpunkten ändern könnte, mehr als ein „Antworten darauf kann man von mir nicht erwarten“ als Antwort kommen.

Angehende Journalisten eines, drehen wir es einmal um, Luxuslifestylemagazins dürfen sich nicht wundern, wenn sie auf Unverständnis stoßen, sollte ihnen zum Thema Lamborghini nicht mehr einfallen als: „Wozu braucht man so etwas? Von A nach B komme ich auch mit einem gebrauchten Skoda. Überhaupt: Sich in so ein Protzauto zu setzen, also für mich wäre das nichts!“

Und bei jedem Bewerbungsgespräch (und Interviews sind ein solches, ein künftiger Mandatar bewirbt sich über den Journalisten bei seinen möglichen Wählerinnen und Wählern) wird der Bewerber darauf abgeklopft, welche Werte er vertritt, welche Ziele er erreichen will, wo er sich in fünf Jahren sieht usw. Ein Schwelgen in der Vergangenheit, garniert mit dem Anspruch, dass man einem anderswo Lorbeerkränze sonder Zahl geflochten hätte, kommt wirklich nicht sehr gut rüber.

Zurück zur Diskussion des Durchschnittseinkommens eines Arbeiters:

Die Antworten Freunds zeigen nicht nur ein schreckliches Maß an Unvorbereitung (alle relevanten Zahlen zur Republik Österreich sind im Statistischen Jahrbuch auf der Homepage der Statistik Austria abrufbar) und ja, kein Politiker muss die Dezil-Angaben gegliedert nach Unselbständigen, Unselbständigen inkl. Lehrlinge, Beamte etc. kennen.

Manche, grundlegende Daten sind aber auch Teil der Medienberichterstattung. Es gibt Leute, die kritisieren die viel besprochene Billa-Verkäuferin, die um fünf Uhr früh mit dem Bus vom Burgenland nach Wien pendelt dafür, nicht darüber Bescheid zu wissen, was in der aktuellen Zeit seht.

Und da offenbart ein Journalist ein in das Unwissen interpretierbare Desinteresse an Dingen, die den Leuten, die ihn wählen sollen (wie gesagt: ich glaube, er wird ein guter EU-Parlamentarier, aber warum für die SPÖ?) wichtig sind?

Letztes Stichwort: Pension. Natürlich gibt es Neider, die Freund seine Pension vorwerfen. Meiner Meinung nach ist an der Pension selbst sowie der Tatsache, dass er sie sich bei der Übertragung der Ansprüche vom ORF an eine Vorsorgekasse auszahlen ließ, nichts Böses, nichts Priviligiertes, nichts Verwerfliches.

Diese Möglichkeit stand in Österreich zig tausenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern offen – und hoffentlich haben sie viele gesunden Menschenverstandes, die nicht auf die Schalmeienklänge der Dritte-Säulen-Heiligen hereingefallen sind, auch genutzt.

Die Aussage aber, er beziehe keine ORF-Pension (soferne in den Medien korrekt wiedergegeben) provoziert einen Satz, der gerade im Journalismus oft in Entgegnungen zu finden ist: Diese Tatsachenmitteilung ist in irreführender Weise unvollständig.

Denn ja, er wird keine Pension vom ORF bekommen – sondern wenn, von der Vorsorgekasse, falls der ORF bzw. der ORF und er nach dem Übertritt weiter, bei null beginnend, in diese eingezahlt haben. 

Was ist so schlimm, zu sagen: Ich habe mir meine Pensionsansprüche damals wie viele in unterschiedlichen Betrieben auszahlen lassen und seitdem wird wieder in die Pensionskasse eingezahlt?

Die Einschätzung, dass seine Äußerungen nicht von politischen Gegnern aufgegriffen werden und eine Flanke eröffnen, die überhaupt nicht notwendig wäre, zeugt auch ein wenig von Unachtsamkeit oder auch Fehleinschätzung der Realität.

Mit der ASVG-Höchstpension nicht auskommen zu können, eine solche wahrscheinlich durchaus ehrliche Aussage, ist natürlich ein Schlag ins Gesicht aller jener SPÖ-Wählerinnen und –Wähler, die von so einer Pension nur träumen können – und das dürfte wohl weit mehr als die Zweidrittelmehrheit sein.

Ja, das Zurückfallen vom Erwerbseinkommen auf die ASVG-Pension bedeutet für alle davon Betroffenen einen massiven Einkommensverlust und eine Einschränkung des Lebensstils.

Nur kommt das nicht als unvorhersehbares Unheil über einen, man kann und muss vorausplanen, zusätzliche Einnahmequellen erschließen (was für die meisten Bürgerinnen und Bürger dieses Landes ein Ding der Unmöglichkeit sein dürfte) oder eben seinen Lebensstil und die Fixkosten entsprechend anpassen – sollte man sich über einen unerwarteten Vermögenszuwachs freuen können, ist es halt auch anzuraten, diesen entsprechend vorsorgend anzulegen – oder eben, wenn man dies alles nicht gemacht hat oder machen will, zu schweigen.


Ich hoffe, dass Freund dazulernt – und einen verkürzten Welpenschutz sollte man ihm auch gewähren (verkürzt, weil bis zur Wahl nicht mehr so viel Zeit bleibt).

Und vielleicht kommt er bei der Analyse seiner ersten Auftritte auch dazu, das zu sagen (wahrscheinlich in anderen Worten), was ein ehemaliger Nationalratsabgeordneter nach einem verpatzten ZIB2-Auftritt offen aussprach: „Das habe ich versemmelt!“.

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