Freitag, 31. Januar 2014

Die Erhöhung der Familienbeihilfe - ein Einserschmäh'

Angesichts der Diskussion, ob die Familienbeihilfe jetzt doch erhöht wird und wenn ja, wann und um wieviel war es Zeit, einmal ein wenig zu recherchieren und nachzurechnen.



Ein paar Anmerkungen vorweg


Vorweg möchte ich allen interessierten Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern die Homepage der Statistik Austria wärmstens ans Herz legen. Auch für Nichtstatistiker bietet sie eine Fülle an Informationen, sehr gut aufbereitet und großteils als Excel-Datei frei zum downloaden.

Dieser Eintrag hätte aber in der Form nicht entstehen können, hätte sich nicht ein sehr freundlicher und geduldiger Mitarbeiter der Statistik Austria die Mühe gemacht, auf eine Anfrage via Mail entsprechend rückzufragen und mir ein paar interessante Zeitreihen zukommen zu  lassen.

Ich bitte auch um Verständnis, dass ich aus Zeitmangel nicht alle Varianten abprüfen konnte. So beziehe ich mich im Folgenden immer nur auf den Grundbetrag der Familienbeihilfe für ein Kind: Mehrkinderzuschlag, Alterszuschlag und auch der Kinderfreibetrag bleiben ebenso wie die erhöhte Familienbeihilfe für behinderte Kinder unberücksichtigt. Auch bietet natürlich die Tatsache, dass es eine Zeitlang eine 13. Familienbeihilfe gab, einen Kritikpunkt, ändert aber am Gesamtbild so gut wie nichts. Sollte aber zum Beispiel eine Journalistin oder ein Journalist diesen Beitrag lesen, spricht nichts dagegen, in die Tiefe zu gehen.

Entwicklung der Familienbeihilfe und ausgewählter Preise


Aus einem Bericht des Familienministeriums ergibt sich, dass die derzeitige Höhe der Familienbeihilfe von EUR 105,40 (wie gesagt: Grundbetrag 1. Kind) uns schon sehr lange begleitet, und zwar seit dem Jahr 2002. Von 2001 auf 2002 gab es immerhin eine Erhöhung um 0,02 Euro, die wir der Rundung nach der Euro-Einführung verdanken.

Die älteste mir zur Verfügung stehende Zahl ist die aus dem Jahr 1998: Damals betrug die Familienbeihilfe EUR 94,48.

Vergleichen wir diese Steigerung um rund 11 Euro (oder 12%) in 15 Jahren einmal mit der Preisentwicklung in diesem Zeitraum. Da hilft uns einmal der Verbraucherpreisindex (VPI) 96. Es gibt zwar inzwischen schon einen neueren Index, aber zu Vergleichzwecken werden die alten Indizes weitergeführt. Der VPI96 war für 1998 auf 102,2 und für 2013 auf 137,50. Umgerechnet heißt das, dass in dem Zeitraum, in dem die Familienbeihilfe um 12 % erhöht wurde, das allgemeine Preisniveau um 35 % gestiegen ist.

Anders gesagt: Um gleich viel wert zu bleiben, hätte die Beihilfe seit 1998 kontinuierlich auf EUR 141,81 steigen müssen. Die ganze Diskussion mit den bisher genannten "Erhöhungen" bedeutet also nicht, dass es den Familien besser gehen wird, es bedeutet nur, dass die Kaufkraftverluste der letzten 15 Jahre zu einem kleinen Teil nicht weiter höher werden.

Man kann die drastische Kürzung (!) der Familienbeihilfe auch so ausdrücken: In "1998er-Euro" ist die Familienbeihilfe (zu Erinnerung: EUR 105,40) nur mehr 78 Euro und 34 Cent wert.

Wer sich von der Politik noch nicht veräppelt genug vorkommt und auch nicht an Zahlenphopie leidet, kann noch ein paar interessante Werte gemeinsam mit mir anschauen:

Der Verbraucherpreisindex basiert auf einem sogenannten Warenkorb. Da werden Güter des täglichen Bedarfs vom Brot bis zur Miete, aber auch Investitionen in Fernsehgeräte oder Autos entsprechend anteilig hineingerechnet ("gewichtet"), dass die Summe der Gewichtungen 100 ergibt. Diese Gewichtung ist nun auch kein Staatsgeheimnis, sondern kann bis zur letzten Kommastelle zum Beispiel hier (erraten, wieder bei Statistik Austria) nachvollzogen werden.

Daher habe ich mir die Frage gestellt, wie es denn mit manchen Dingen ausschaut, die für Familien besonders wichtig sind. Da diese, mir freundlicherweise gemailten Zeitreihen, aber erst ab 2005 beginnen, kann man sie am sinnvollsten mit dem VPI2005 vergleichen.

Hätte 2005 eine Regierung gesagt: Ab jetzt passen wir die Familienbeihilfe jährlich an, so erhielten Eltern jetzt EUR 124,58, denn die Familienbeihilfe wäre dann seither ebenso wie das Preisniveau um rund 18 % gestiegen.

Ist sie aber nicht, und daher ist die Kaufkraft der Familienbeihilfe in dieser Zeit real auf 89,17 Euro gefallen.

Wie schaut das aber jetzt mit speziellen Waren konkret seit dem Jahr 2005 aus?

Nun, Babykost wurde um 19 % teurer. Für das geordnete Aufsammeln des resultierenden Endergebnisses in Wegwerfwindeln muss man seither um 17% tiefer in die Tasche greifen.

Für einen Kindertrainingsanzug muss man hingegen lediglich 3 % mehr auf den Ladentisch legen. Wer seinen Kindern einen Schulschikurs finanzieren will oder muss, gewärtigt eine Erhöhung um 34 %. Weniger schmerzhaft wird es dann im Frühsommer mit der Landschulwoche (+ 23%).

Eltern guter Schüler können sich freuen, denn sie betrifft die Steigerung von 21 % bei den Nachhilfestunden nicht.

Es gibt aber auch Dinge, die billiger geworden sind: So gibt es jetzt Babyfeuchttücher um rund 8 % günstiger. Und, was mich überrascht hat: Die Kindergartengebühren sind sogar um 18 % gefallen.

Übersichtsgrafiken und Tabellen







Detailtabellen








Quellen

Statistik Austria, BMWFJ. Die entsprechenden Dateien (PDF, Excel) sind im Text verlinkt.Die Berechnungen auf Basis der Indexzahlen und der Höhe der Familienbeihilfe stammen vom Verfasser.






Mittwoch, 22. Januar 2014

Die besten Schuster tragen selbst die schlechtesten Schuhe


Über meine persönlichen Gründe des Kopfschüttelns über die ersten öffentlichen Auftritte Eugen Freunds


Die Kandidatur von Eugen Freund als Frontmann der SPÖ für die EU-Wahl selbst, aber vor allem seine ersten öffentlichen Auftritt und Interviews seit dem Durchsickern dieses Antretens haben vor allem in sozialen Medien teils sehr kontroversielle Reaktion bewirkt.

Ein sehr angesehener Journalist hat auf Twitter (in einem offenbar seither gelöschten Tweet, daher ohne Verlinkung und Namensnennung) die These aufgestellt, dass offenbar ein Kandidat für ein öffentlches Amt, zumal Quereinsteiger, ein Armutsgelübte abgelegt haben und mediengecoacht sein müsse.

Diese Aussage, von mir im ersten Impuls in einer nicht ganz so feinen Wortwahl als vollkommen unzutreffend bezeichnet, ist dennoch Anlass für eine Reflexion, ob man sich im Internet nicht zu voreiliger Kritik bis hin zu persönlichen Angriffen hinreißen lässt, was trotz der geringen Bedeutung der eigenen Person für die (online) (ver)öffentlich(te) Meinung, in Summe zu einem Hochschaukeln und zu einem „Hände weg!“ potenzieller qualifizierter Anwärter und Anwärterinnen führen könnte und dem Betroffenen gegenüber ungerecht und unfair ist.

Im konkreten Fall bleibt trotz der Wertschätzung für einen angesehenen und aus der Sicht eines Zusehers hochqualifizierten Moderator und trotz der persönlichen Einschätzung, dass er ein sehr guter EU-Parlamentarier sein kann, wenn er sich auch in die Niederungen der Ebenen der parlamentarischen Knochenarbeit begibt, leider wirklich derzeit primär ein Kopfschütteln über Eugen Freund übrig.

Und das aus folgenden Gründen:

Wer immer sich für eine Stelle bewirbt, noch dazu, wenn diese mit einer großen Außenwirkung verbunden ist, wird sich gewissenhaft auf Bewerbungsgespräche und seine Auftritte bei Kunden und in der Öffentlichkeit vorbereiten.

Niemand wird zum Beispiel von jemandem, der Chefredakteur einer Zeitung werden will, die detaillierte Kenntnis des Redaktionsstatuts erwarten – aber ein Wissen um die Blattlinie, die gerade in der Zeitung aktuell behandelten Themen, den angesprochenen Leserkreis und vielleicht ein paar Zitate aus Leitartikeln sind wohl unabdingbare Voraussetzungen für diese Funktion.

Und wenn man, sagen wir mal, rund einen Monat Vorbereitungszeit hat, sollte bei Fragen, was man an den Themenschwerpunkten ändern könnte, mehr als ein „Antworten darauf kann man von mir nicht erwarten“ als Antwort kommen.

Angehende Journalisten eines, drehen wir es einmal um, Luxuslifestylemagazins dürfen sich nicht wundern, wenn sie auf Unverständnis stoßen, sollte ihnen zum Thema Lamborghini nicht mehr einfallen als: „Wozu braucht man so etwas? Von A nach B komme ich auch mit einem gebrauchten Skoda. Überhaupt: Sich in so ein Protzauto zu setzen, also für mich wäre das nichts!“

Und bei jedem Bewerbungsgespräch (und Interviews sind ein solches, ein künftiger Mandatar bewirbt sich über den Journalisten bei seinen möglichen Wählerinnen und Wählern) wird der Bewerber darauf abgeklopft, welche Werte er vertritt, welche Ziele er erreichen will, wo er sich in fünf Jahren sieht usw. Ein Schwelgen in der Vergangenheit, garniert mit dem Anspruch, dass man einem anderswo Lorbeerkränze sonder Zahl geflochten hätte, kommt wirklich nicht sehr gut rüber.

Zurück zur Diskussion des Durchschnittseinkommens eines Arbeiters:

Die Antworten Freunds zeigen nicht nur ein schreckliches Maß an Unvorbereitung (alle relevanten Zahlen zur Republik Österreich sind im Statistischen Jahrbuch auf der Homepage der Statistik Austria abrufbar) und ja, kein Politiker muss die Dezil-Angaben gegliedert nach Unselbständigen, Unselbständigen inkl. Lehrlinge, Beamte etc. kennen.

Manche, grundlegende Daten sind aber auch Teil der Medienberichterstattung. Es gibt Leute, die kritisieren die viel besprochene Billa-Verkäuferin, die um fünf Uhr früh mit dem Bus vom Burgenland nach Wien pendelt dafür, nicht darüber Bescheid zu wissen, was in der aktuellen Zeit seht.

Und da offenbart ein Journalist ein in das Unwissen interpretierbare Desinteresse an Dingen, die den Leuten, die ihn wählen sollen (wie gesagt: ich glaube, er wird ein guter EU-Parlamentarier, aber warum für die SPÖ?) wichtig sind?

Letztes Stichwort: Pension. Natürlich gibt es Neider, die Freund seine Pension vorwerfen. Meiner Meinung nach ist an der Pension selbst sowie der Tatsache, dass er sie sich bei der Übertragung der Ansprüche vom ORF an eine Vorsorgekasse auszahlen ließ, nichts Böses, nichts Priviligiertes, nichts Verwerfliches.

Diese Möglichkeit stand in Österreich zig tausenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern offen – und hoffentlich haben sie viele gesunden Menschenverstandes, die nicht auf die Schalmeienklänge der Dritte-Säulen-Heiligen hereingefallen sind, auch genutzt.

Die Aussage aber, er beziehe keine ORF-Pension (soferne in den Medien korrekt wiedergegeben) provoziert einen Satz, der gerade im Journalismus oft in Entgegnungen zu finden ist: Diese Tatsachenmitteilung ist in irreführender Weise unvollständig.

Denn ja, er wird keine Pension vom ORF bekommen – sondern wenn, von der Vorsorgekasse, falls der ORF bzw. der ORF und er nach dem Übertritt weiter, bei null beginnend, in diese eingezahlt haben. 

Was ist so schlimm, zu sagen: Ich habe mir meine Pensionsansprüche damals wie viele in unterschiedlichen Betrieben auszahlen lassen und seitdem wird wieder in die Pensionskasse eingezahlt?

Die Einschätzung, dass seine Äußerungen nicht von politischen Gegnern aufgegriffen werden und eine Flanke eröffnen, die überhaupt nicht notwendig wäre, zeugt auch ein wenig von Unachtsamkeit oder auch Fehleinschätzung der Realität.

Mit der ASVG-Höchstpension nicht auskommen zu können, eine solche wahrscheinlich durchaus ehrliche Aussage, ist natürlich ein Schlag ins Gesicht aller jener SPÖ-Wählerinnen und –Wähler, die von so einer Pension nur träumen können – und das dürfte wohl weit mehr als die Zweidrittelmehrheit sein.

Ja, das Zurückfallen vom Erwerbseinkommen auf die ASVG-Pension bedeutet für alle davon Betroffenen einen massiven Einkommensverlust und eine Einschränkung des Lebensstils.

Nur kommt das nicht als unvorhersehbares Unheil über einen, man kann und muss vorausplanen, zusätzliche Einnahmequellen erschließen (was für die meisten Bürgerinnen und Bürger dieses Landes ein Ding der Unmöglichkeit sein dürfte) oder eben seinen Lebensstil und die Fixkosten entsprechend anpassen – sollte man sich über einen unerwarteten Vermögenszuwachs freuen können, ist es halt auch anzuraten, diesen entsprechend vorsorgend anzulegen – oder eben, wenn man dies alles nicht gemacht hat oder machen will, zu schweigen.


Ich hoffe, dass Freund dazulernt – und einen verkürzten Welpenschutz sollte man ihm auch gewähren (verkürzt, weil bis zur Wahl nicht mehr so viel Zeit bleibt).

Und vielleicht kommt er bei der Analyse seiner ersten Auftritte auch dazu, das zu sagen (wahrscheinlich in anderen Worten), was ein ehemaliger Nationalratsabgeordneter nach einem verpatzten ZIB2-Auftritt offen aussprach: „Das habe ich versemmelt!“.

Mittwoch, 15. Januar 2014

TTIP - Wer nicht fragt, kann keine Antwort kriegen

Nutzt's nix, so schadet's nix


Wohl ahnend und wissend, dass ich nur eine allgemeine Antwort und wahrscheinlich einen Link auf die offizielle Informationsseite der EU-Kommission bekommen werde, aber hoffend, dass steter Tropfen vieler auch nicht vernetzter EU-Bürger den Stein höhlt, habe ich folgendes Mail an EU-Kommissionspräsidenten Barroso über die Kontaktseite geschickt:

Vollständiger Text:


TTIP - Position papers and minutes

Mr. President,

I am very concerned about the fact, that the negotiations between the EU and the USA dealing with a topic of such an impact for all European citizens in the next few decades take place as closed sessions without public information.

Therefore, I would like to ask you to send me in electronic form the minutes and the position papers of both parties  presented in the sessions that already took place. Of course, a link to a directory containing this documents which is available to the public also would be sufficient.

Yours sincerely,

Franz Strohmeier