Freitag, 6. Dezember 2013

Waldheim und Fischer: Bundespräsidenten, die das Amt beschädig(t)en

Auf Twitter habe ich die zugegebenermaßen etwas provokante These vertreten, dass Heinz Fischer das Amt des Bundespräsidenten stärker beschädigt hat als Kurt Waldheim. Das ist in 140 Zeichen natürlich schwer zu argumentieren - die Begründung wird daher hier nachgereicht.


Die Präsidentschaft Kurt Waldheims und vor allem der seiner Wahl vorangegangene Wahlkampf sind jedem mit auch nur etwas Interesse an Zeitgeschichte noch in sehr schmerzhafter Erinnerung.

Das "Wir Österreicher wählen wen wir wollen!", das "Jetzt erst recht!" und das Kriterium Michael Graffs, wonach es erst ein Problem gäbe, könnte man Waldheim das eigenhändige Erwürgen von sechs Juden nachweisen (Graff ist danach immerhin zurückgetreten) sind in der ewigen Schlechtestenliste von verabscheuungswürdigen Wahlkämpfen unerreicht.

Aber dabei handelte es sich um den Wahlkampf, nicht um die Amtsführung Waldheims selbst. Von seiner Präsidentschaft wird nur eines in Erinnerung bleiben: Das legendäre Interview der (damaligen) ORF-Reporter Peter Rabl und Hans Benedikt, das knapp vor dem Abbruch stand, als Benedikt mit den Worten "Nun zu einer Frage, wo wir vielleicht weniger Erinnerungslücken haben!" eine weitere Frage an Waldheim einleitete. [Korrektur 6.12.2013: Laut Leserfeedback drohte der Abbruch nach einer Aussage von Peter Rabl: "In Wahrheit haben Sie doch keine Autorität."]

Aber sonst war Waldheim isoliert, eine "lame duck" ab dem Wahlabend, daher kalt gestellt und ungefährlich. EDV-technisch gesprochen stand damals die TTL (time to live) schon fest, alle saßen sozusagen nur mehr die Amtszeit Waldheims ab (dass er dann noch dazu bekniet werden musste, auf eine Wiederkandidatur zu verzichten, sagt sehr viel über den Charakter des ehemaligen UN-Generalsekretärs aus). Außenpolitisch existierte Österreich damals nur, weil Bundeskanzler Vranitzky sozusagen einen Teil der Amtsgeschäfte des Präsidenten mit übernahm.

Die Ära Waldheim brachte einige der hässlichsten Fratzen Österreichs ans Licht - leitete aber auch eine dringend notwendige Beschäftigung mit der Geschichte ein und gipfelte in einer Rede Vranitzkys, in der er weltpolitisch mehr gut machte als Waldheim je zerstören hätte können.

Und mit "so einem" möchte ich Heinz Fischer vergleichen?


Ja, denn nochmals: Es geht nicht um den Wahlkampf, nicht um den Charakter des Amtsinhabers, sondern um die Frage, ob die Amtsführung dem Amt Schaden zugefügt hat oder nicht.

Heinz Fischer ist voll handlungsfähig. Er ist über die Parteigrenzen hinweg geachtet, war jahrelang Präsident des Nationalrats, ist ein ausgewiesener Verfassungsspezialist und auch jenseits der österreichischen Grenzen überall gerne gesehen.

Eine Person, der man ein sorgfältiges Umgehen mit den umfangreichen Rechten des Bundespräsidenten gestehen könnte. Hier muss man ein wenig in der Staatsbürgerkunde kramen  und sich bewusst machen, dass Kelsen den Bundespräsidenten in der Verfassung mit umfangreichen Rechten ausgestattet hat - auch wenn diese Rechte jahrzehntelang nur vor sich hinschlummern und abseits von Studenten des Verfassungsrechts wohl nur Österreicherinnen und Österreichern bekannt sind, die das Glück hatten, vor dem segensreichen Wirken des Bildungstsunamis Elisabeth Gehrer gute und engagierte Lehrer in Staatsbürgerkunde zu haben.

Dass der Präsident nach Art. 70 B-VG den Bundeskanzler und auf dessen Vorschlag die einzelnen Mitglieder der Bundesregierung ernennen und auch ohne irgendwen um Erlaubnis fragen zu müssen, entlassen kann, ist wohl Allgemeingut.

Weniger verbreitet ist dabei schon das Wissen, dass es sich beim Bundeskanzler nicht um den Obmann der stimmenstärksten Partei des Nationalrats handeln muss (das ist nur Ausfluss der österreichischen "Real-Verfassung").

Das Dasein als Oberbefehlshaber des Heeres ist ebenso de facto jedem Volksschüler bekannt, die Möglichkeit, den Nationalrat auf Antrag der Bundesregierung aufzulösen fällt auch noch vielen ein.

Dass das BZÖ/FPK oder wie immer die Komikertruppe an Politikern im Kärtner Landtag auch gerade firmieren möge, Kärnten so lange am Nasenring durch die Landtags-Arena führen konnte liegt auch daran, dass der Bundespräsident eben nicht den Kärtner Landtag aufgelöst hat, wozu er, hätte es einen entsprechenen Antrag der Bundesregierung und des Bundesrates gegeben, durchaus berechtigt gewesen wäre.

A propos Kärnten: Hier konnte eine Führungsclique jahrelang den Verfassungsgerichtshof verhöhnen, ohne dass es Konsequenzen gegeben hätte. Doch die Verfassung hätte in Form des Artikels 146 B-VG ein mächtiges Schwert geboten:

Hätte der Verfassungsgerichtshof beim Präsidenten beantragt, die Urteile zur Ortstafelfrage zu exekutieren, wäre letzterer berechtigt gewesen, allen Organen und Behörden des Bundes und der Länder (inklusive dem Bundesheer!) direkte Weisungen zu geben, um das Urteil umzusetzen, im konkreten Fall also, die zweisprachigen Ortstafeln aufzustellen.

Ich gebe aber zu, dass dies die Zweite Republik kaum überlebt hätte, war damals doch in Klagenfurt noch die Sonne an der Macht, bevor sie mitten in der Nacht besoffen vom Himmel torkelte.

Was macht also Heinz Fischer mit seinen vielfältigen Möglichkeiten zum Wohl des Landes? Nichts, niende, nada, nix, rien, nothing!

Wenn er Leute im Kanzleramt und in Ministerien weiter walten und schalten lässt, die in einer in der Geschichte der Republik einmaligen Art und Weise die Bevölkerung vor der Wahl über den Zustand des Budgets im Unklaren gelassen haben (um es vorsichtig und hoffentlich nicht klagbar zu formulieren) - dann beschädigt er das Amt massiv.

Wenn er das Land in den Händen derer belässt, die, legten sie ein solches wie oben genannte Verhalten im Privatleben an den Tag, wohl nur noch knapp diesseits der Besachwalterung entlangschrammten - dann beschädigt er das Amt massiv.

Wenn Heinz Fischer jemandem die Regierungsbildung in die Hand legt, der gerade noch mal Justizia  dank eines Staats-Anwalts (im Sinne von einem vom Staat zur Verfügung gestellten Anwalt) von der Schaufel gehüpft ist und der keine Skrupel kannte, um ein paar ÖBB-Millionen testimonialisiert zu werden und einen Untersuchungsausschuss im Nationalrat durch Handhebemarionetten abwürgen zu lassen - dann beschädigt er das Amt massiv.

Wenn er zulässt, dass eine Gruppe von SPÖ- und ÖVP-Verhandlern samt den Regie haltenden Landeshauptleuten dieser Parteien die Österreicher und Österreicherinnen noch bis nach Weihnachten verarschen darf, dann ist er knapp davor, das selbst ebenso zu tun.

Wenn er zuversichtlich ist, weil Verhandler es geschafft haben, den großen Verfassungbogen des Andres Khol auf den kleinen Drahtbogen einer Zahnregulierung einzudampfen, dann greift man sich unwillkürlich ans Denkorgan.

Mit seinem Nicht-Agieren spielt Heinz Fischer den Leuten in die Hände, die das Amt des Präsidenten abschaffen wollen, dies mit dem Argument, es handle sich nur um das eines Grüßaugusts und Staatsnotars.

Denn für eine Performance wie in den letzten Wochen brauchen wir keinen Bundespräsidenten:

Der Algorithmus (Ordne die Parteien nach Stimmenstärke absteigend, beauftrage deren Spitzenkandidaten mit der Regierungbildung, wiederhole dies im Falle des Nichterfolgs nach jeweils 8 Wochen mit der nächsten Partei bis alle durch sind und ziehe dann bei Nichterfolg einen beliebigen Namen aus dem Wiener Telefonbuch) lässt sich wunderbar juristisch formuliert in die Verfassung schreiben.

Und das Verschwinden am Klo in Falle schwieriger Entscheidungen - ein mehrfach von Präsident Fischer dementiertes angebliches Kreisky-Zitat - schaffen zig Österreicher- und -innen wohl auch ohne Angelobung.

Heinz Fischer unterspült gerade die Fundamente des Bundespräsidentenamtes mehr als es Kurt Waldheim je gelungen ist.

Dafür, Herr Fischer, habe ich Sie nicht gewählt!

Der Bundespräsident hätte auch die Gunst der Stunde auf seiner Seite. Denn glaubt wirklich jemand ernsthaft, SPÖ und ÖVP könnten es sich erlauben, eine von integren Persönlichkeiten gebildete Regierung zu stürzen und Neuwahlen zu riskieren? Der große goldene Paintballorden am braunen Band für Verdienste um die FPÖ wäre den Agierenden sicher.

Seit Waldheims Zeiten steht noch ein prächtiges von Alfred Hrdlicka geschaffenes Holzpferd irgendwo beschäftigungslos herum. Vielleicht schafft es der Spitzenjurist Herr Fischer ja, dieses in einem Analogieschluss von Caligulas tierischem Senator bis hin zum B-VG mit dem Amt des Bundeskanzlers zu betrauen.

Im Vergleich zur jetzigen Besetzung wäre das in charakterlicher und intellektueller Hinsicht ohne jeden Zweifel eine exorbitante Verbesserung.