Freitag, 8. November 2013

Die Verantwortung eines Bundespräsidenten

oder: Über die mögliche culpa in eligendo des HiFi.


Vor einigen Wochen haben wir, also diejenigen von uns, die wahlberechtigt waren und auch gültig gewählt haben, 183 Abgeordnete in den Nationalrat geschickt.

Das hat nun mal streng genommen im Sinne der Gewaltenteilung mit der Regierung gar nichts zu tun, es ist aber (nicht nur in Österreich) gelebte Realverfassung, dass es nach einer Nationalratswahl zur Neubildung einer Regierung kommt.

Nicht nur deshalb vermute ich einmal ohne zu großes Risiko, fehl zu gehen, dass 90 % der Österreicher und Österreicherinnen der festen Überzeugung sind, "den Bundeskanzler" und "die Regierung" gewählt zu haben.

Damit kommt dem Bundespräsidenten, der ja den Bundeskanzler und auf dessen Anregung die übrigen Mitglieder der Regierung ernennt, eine ganz besondere Bedeutung zu. Nicht nur im Bereich der Regierungsbildung hat ihn Herr Kelsen mit sehr vielen Rechten ausgestattet.

Nun könnte Herr Fischer jede(n) Beliebige(n)  (soferne er oder sie passiv zum Nationalrat wahlberechtigt ist) mit dieser Aufgabe betrauen, Hinz, Kunz, Sie oder auch mich. Oder eben andere echte Experten und/oder Persönlichkeiten.

In realiter hat der Spitzenkandidat der stimmenstärksten Partei hier seit Jahrzehnten das Badetuch am entsprechenden Sessel der Regierungsbank. Damit haben wir jetzt ein Problem. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass Herr Faymann sich selbst als Kanzler nachfolgt, ist sehr groß. Und damit ist auch mit einem Wiedersehen zahlreicher Personen (nicht Persönlichkeiten) des alten Kabinetts im gleichen oder in einem anderen Regierungsamt zu rechnen.

Und hier muss man Heinz Fischer in die Pflicht nehmen:

Kann er es wirklich mit seinem Gewissen und der Verfassung, auf die er vereidigt wurde, vereinbaren, mit Herrn Faymann und Mr. EinpaarMillefürdenWerner zwei Männer zum Kanzler, Staatssekretär oder Kanzleramtsminister zu machen, die gerade eben im letzten Augenblick Frau Justizia von der Waagschale gesprungen sind - direkt in den kuscheligen Talar einer Quod-licet-Jovi-fährigen Staatsanwaltschaft?

Darf man jemandem die Macht eines Kanzlers geben, dessen Werte (herzlichen Dank an Frank Stronach für die jetzt jahrelange Diskreditierung dieses wichtigen Begriffs) darin bestehen, freie und unabhängige Abgeordnete über einen Klubobmann, dessen Integritätshalbwertszeit in Millisekunden zu messen war, einen Untersuchungsausschuss abwürgen zu lassen?

Ist jemand für ein hohes Amt geeignet, der als Außenminister (so stand es zumindest auf der Homepage) die systematische Ausspähung der Staatsbürger unwidersprochen gelassen hat und brav auf Anweisung aus Washington freiwillige Nachschau in der Maschine eines Staatsoberhaupts halten ließ?

Bisher ging es um schwammige soft facts. Wichtiger aber, und das gilt für alle Mitglieder der derzeitigen Regierung:

Wie kann man Leute den Staat lenken lassen, die entweder so verlogen und verantwortungslos oder so blöd und unfähig (tertium non datur) sind, am Tag vor der Wahl Budgetzahlen zu präsentieren, deren Ungültigkeit sich jetzt, so gut wie unmittelbar danach, herausstellt?

Oder hab ich in den letzten Wochen etwas versäumt? Ist der Nestroysche Komet runtergekommen und hat das Budget zertrümmert? Gab es Naturkatastrophen? Ist die Euro-Zone zerbrochen? Nein, nichts von dem: Nur Politiker, die, weil es bei uns allen ja auch so durchgeht, einfach keinen Genierer mehr kennen.

Und man möge der Öffentlichkeit bitte nicht mit "der EDV" kommen. Der Bund verfügt seit vielen Jahren und  seit dem Projekt HV-SAP über ein sehr gut eingerichtetes ERP-System, das es sehr leicht macht, verschiedene Budgetversionen zu erfassen, zu vergleichen und über das Reporting sehr schnell die aktuellen Zahlen bis zum Preis des gerade eben gekauften Kugelschreiber des Portiers des Bundeskanzleramtes zu liefern.

Man möchte den Betroffenen aber auch demjenigen, der sie dann trotzdem wahrscheinlich wieder angeloben wird, mit Joseph N. Welch zurufen: "You've done enough. Have you no sense of decency, sir? At long last, have you left no sense of decency?"

Das ist einer jener seltenen Momente, ich denen ich wünsche, der Staat wäre eine Aktiengesellschaft. Denn was (jetzt bei allen Unschärfen des Vergleichs, mir sind die genauen Aufgaben und Pflichten der Organe einer AG sehr wohl bekannt) würde wohl mit einem Vorstand und dessen Vorsitzenden passieren, der am Tag vor der Jahreshauptversammlung den Aktionären absichtlich oder zumindest grob fahrlässig eine falsche Budgetplanung präsentiert und das ein paar Tage danach auch zugeben muss?

Und was mit einem Aufsichtsratsvorsitzenden, der diesen Vorstand im Amt belässt? Wer es genauer wissen will, findet im § 84 AktG (Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder) und hier entsprechende Anknüpfungspunkte.






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