Dienstag, 18. Juni 2013

Über Menschen, die in Österreich 100% Steuern zahlen


In der Debatte um Verteilungsgerechtigkeit, hohe Steuersätze, wohlerworbene Rechte usw. wissen die wenigstens, dass es in Österreich eine Gruppe von Menschen gibt, die unter bestimmten Umständen 100 % (in Worten: hundert) Steuern für Teile des Einkommens zahlt.

Oder anders gesagt: Es gibt Menchen, die haben einen Grenzsteuersatz von 100 %.
Handelt es sich dabei um Leistungsträger? Definitiv ja. Sind es Millionäre oder Milliardäre? Definitiv nein. Es handelt sich um – Mindestpensionisten. Und das geht so:

Reicht eine erworbene Pension (Alterspension oder in sehr vielen Fällen Witwenpension) nicht aus, um derzeit 837,63 Euro zu erreichen (den sogenannten Ausgleichszulagenrichtsatz), so wird die Differenz als Ausgleichszulage bezahlt, um eben diese Mindestpension zu erreichen. Während aber dank des Wegfalls von Ruhensbestimmungen gut dotierte Pensionisten de facto dazu verdienen können, was sie wollen, ist das bei Ausgleichszulagenbezieherinnen natürlich ganz anders.

Hier kürzt jeder sonstwie verdiente Euro die Ausgleichszulage um genau 1 Euro. Will sich also eine Witwenpensionistin mit sagen wir 600 Euro Witwenpension z.B. als angemeldete Putzfrau etwas dazuverdienen handelt es sich dabei um reine Beschäftigungstherapie, denn die Rechnung schaut in etwa so aus:

Witwenpension 600,--. Arbeitseinkommen 0,--. Gesamteinkommen 837,63
Witwenpension 600,-- Arbeitseinkommen 100. Gesamteinkommen 837,63. Grenzsteuersatz 100 %.
Witwenpension 600,-- Arbeitseinkommen 267,63. Gesamteinkommen 837,63. Grenzsteuersatz 100 %.
Witwenpension 600,-- Arbeitseinkommen 268,63. Gesamteinkommen 838,63 (Wow!) Grenzsteuersatz 99,63 % (wird ja langsam besser!).
Ministerwitwenpension: 5000,--. Kürzung: 0,00 EUR.

Es geht aber noch besser:

Nehmen wir an, die genannte Witwe war die Ehefrau eines braven Arbeiters und Nebenerwerbslandwirts. Sie selbst hat als Kind die Kriegsjahre und Nachkriegsjahre mit Müh- und Not überlebt, nie die Chance auf eine tolle Ausbildung und einen tollen Beruf, aber ihr Leben lang bis zum Umfallen gearbeitet, um später zwei Kinder großzuziehen und mit dem Mann gemeinsam über die Landwirtschaft etwas Butter auf das Brot zu verdienen.

Das geplante Nachholen der nie stattgefundenen Hochzeitsreise im Alter fällt dann leider flach, weil der Gatte mit 48 Jahren an Krebs stirbt.

Mit den Kindern gemeinsam betreibt sie dann die Landwirtschaft weiter, um einigermaßen an die Mindestpension ranzukommen, denn wegen der Landwirtschaft wird ihr ja ein bestimmter Prozentsatz vom Einheitswert von der Ausgleichszulage abgezwackt.

Später sind die Kinder aus dem Haus und sie übergibt die Landwirtschaft an den Sohn. Die wirft zwar nichts mehr ab, eigentlich sogar im Gegenteil und Gott sei Dank mäht ein Bauer gratis die Fläche, auf der mal 300 Obstbäume standen und die jetzt Wiese ist.

Wird es jetzt was aus der Mindestpension? Mitnichten! Denn bis zum Lebensende der alten Dame wird ihr ein bestimmter Prozentsatz des Einheitswerts der Landwirtschaft zum Übergabezeitpunkt (!) als Einkommen angerechnet, da nennt sich "fiktives Ausgedinge" und macht einen knappen Hunderter im Monat weniger.

Und würde sich der Sohn nicht im Steuerrecht auskennen bzw. hätte Sie vor der Übergabe die letzten 20 Bäume nicht roden lassen und einen Fortschreibungsbescheid erstellen lassen, hätte es bei der Übergabe noch immer den Obstbauzuschlag für die gesamte ursprüngliche Fläche (unabhängig von der Zahl der Bäume) gegeben und somit bis zum Rest ihrer Tage, auch wenn alle Bäume schon verheizt wären einen weiteren Hunderter weniger bei der Pension.

Keine Sorge, die Dame um die es geht kommt Dank Wohnbeihilfe mit ihrer Pension aus und freut sich jetzt, in einer kleinen Wohnung in der Stadt zu leben, von wo aus sie noch alles zu Fuß erledigen kann und im Winter nicht mehr Holz zum Heizen schleppen muss. Und sie hat ja Gott sei Dank auch noch Kinder, die sie unterstützen.

Aber über sie redet komischerweise nie jemand, wenn es darum geht, dass die Leistungsträger in diesem Land zu sehr belastet sind.

3 Kommentare:

  1. das ist so, wie mit der bedarfsorientierten Mindestsicherung, wo der Staat bei Geringverdienern eine soziale Leistung drauf zahlt.
    Der Staat zahlt bei der Mindestrenter_in als zusätzliche soziale Leistung die Differenz auf den Ausgleichsrichtsatz von 837,63 € drauf.

    Daher ist es falsch von Steuer zu reden.
    Bekommt die Rentner_in 600 € wird davon 0% versteuert und der Staat zahlt 237,63 € drauf.
    Bekommt die Rentner_in 800€ wird ebenfalls 0% davon versteuert und hier zählt der Staat nur 37,63€ drauf.
    Da der Staat für Bildung, Asylanten, Katastrophen, ... dauernd Geld braucht, sollten wir soviel arbeiten, dass er nichts oder nur sehr wenig uns drauf zahlen sollte, weil das Geld fehlt dem Staat woanders!

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  2. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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