Dienstag, 25. Juni 2013

Memo zu Snowdens Heiligenschein

In einem bemerkenswert blauäugigen bzw. weinpredigenden Kommentar sieht der WDR-Korrespondent Horst Kläuser Ed Snowdens Heiligenschein fleckig werden.

Seine Argumentation stützt sich dabei im Wesentlichen auf zwei Punkte.

Erstens habe Snowden bewusst bei der NSA angeheuert um dann Whistleblowing zu betreiben.

Das soll ihm wirklich zum Vorwurf gemacht werden? Ein amerikanischer Bürger, der das Gefühl hat, da ist etwas massiv im Argen und der dann das betreibt, was Journalisten für sich selbst als Recht zu investigativem Journalismus reklamieren und öfters mit dem Traum an den Pulitzerpreis verknüpfen? Etwas, das gerade ein deutscher Journalist namens Günter Wallraff zur Perfektion gebracht hat, ohne den manche Missstände gar nicht aufgedeckt worden wären? Ok, ich kenne die deutsche Medienlandschaft zu wenig und weiß daher nicht, ob Kläuser et al. einen Vergleich mit Wallraff verkraften oder ihn naserümpfend als rufschädigend interpretieren.

Den zweiten Vorwurf interpretiere ich geradezu als perfid: Snowden ist nach China und Russland geflüchtet statt (so lese ich es jetzt heraus) seine Vorwürfe in den USA zu publizieren und sich dort rechtskonform waterboarden, schlafenziehen und entkleiden zu lassen, irgendwann gefolgt von einem Leben hinter Gittern oder ein Abschiednehmen davon via elektrischem Stuhl, Giftspritze oder ähnliches.

Er! ist! nach! China! und Russland! Na, selbstverständlich verfolgen diese Länder mit seiner Nicht-Auslieferung (Noch-Nichtauslieferung?) ihre eigenen Ziele. So what?

Wo ist die offizielle von EU- oder deutscher oder österreichischer Regierungsspitze vorgetragene Einladung an Snowden, sich als Zeuge einem inzwischen einberufenen Untersuchungsausschuss des nationalen oder EU-Parlaments zur Verfügung zu stellen?

Wo ist die Zusicherung an ihn, ihm in einem EU-Land seiner Wahl bei Stichhaltigkeit seiner Aussagen Asyl zu gewähren?

Wo ist der Diplomatenpass eines europäischen Landes, im Snowden Bewegungsfreiheit zu garantieren?

Ja, warum sitzen nicht ein paar EU-Granden im gleichen Flugzeug, mit dem Snowden nach Europa fliegt (von einer Sondermaschine will ich gar nicht reden), um zu verhindern, dass diese irgendwo von der US-Luftwaffe abgefangen wird?

Und, wenn der Mut schon nicht so weit reicht, wo bleiben Verurteilungen des Abhörens unbescholtener europäischer Bürger seitens offizieller Stellen der EU in einer ähnlichen Schärfe und Sprache, wie die Formulierungen aus Washington? Nichts, nix, niente, nada!

Wenn eine EU-Führung zu rückgratlos oder zu feige ist, um sich hier vor ihre Bürger und denjenigen, der das alles aufzeigt zu stellen, wozu brauchen wir dieses Gebilde dann?

Wir haben hier die Feiglinge auf der einen Seite und leider wieder den hässlichen Amerikaner auf der anderen Seite, was Jens Berger in Jagd auf Edward Snowden – Die Rückkehr des hässlichen Amerikaners hervorragend ausformuliert hat.

Der Verfasser dieser Zeilen verdankt wie Millionen Europäer seine Freiheit auch dem Opfer tausender amerikanischer Familien, deren Söhne, Väter, Brüder, Freunde im 2. Weltkrieg gefallen sind.

Das berechtigt aber die heutige Führung der USA nicht, so mit ihren Freunden umzuspringen. Hier muss man sagen: Stopp - zurück.

Dieses eloquent und wortmächtig zu sagen - das ist die Aufgabe von kritischen Journalisten, noch dazu von solchen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Und die sind es auch, die nicht nur Berichte über mangelnde Zivilcourage erstellen sollen, wenn jemand in einer U-Bahn-Station zusammengeschlagen wird und niemand hilft, nein, sie müssen auch ganz laut aufschreien, wenn jemand wie Snowden mit allem, was eine Supermacht aufzubieten hat, live und in HD gejagt wird und niemand hilft.

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